Dawn: Heiligt der Zweck jedes Mittel?
von Martina Medic
Heute startet der Film „Dawn“ mit Joel Basman, dem frischgebackenen Träger des Deutschen Filmpreises, in den Deutschschweizer Kinos. Der Schweizer Regisseur Romed Wyder hat den Roman von Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel als beklemmendes Kammerspiel inszeniert.
Schauplatz des Psycho-Dramas ist Palästina während des britischen Mandats. Der zionistische Untergrund kämpft für die Gründung eines jüdischen Staates und will die Besatzer gewaltsam vertreiben. Um die Vollstreckung eines Todesurteils gegen einen der ihren zu verhindern, entführt eine zionistische Widerstandsgruppe einen britischen Offizier und droht für den nächsten Tag mit dessen Erschiessung.
Die fünf Mitglieder des Kommandos verbringen wegen der herrschenden Ausgangssperre eine lange Nacht in den abgedunkelten Räumen über dem Kellerverlies des Gekidnappten. Die Mission ausführen soll der 19-jährige Neuling Elisha (Joel Basman), der den Holocaust in Auschwitz überlebt hatte und sich im Pariser Exil für den zionistischen Untergrundkampf anwerben liess.
Der drohende Mordauftrag stürzt Elisha in einen aufwühlenden Gewissenskonflikt. Seine vier Mitstreiter – unter ihnen die verführerische Rekrutierungsoffizierin Ilana (Sarah Adler) – bekämpfen Elishas Zweifel entweder mit ideologischer Verve, einfühlendem Verständnis oder Sarkasmus („Denk an das 11. Gebot: Hasse deinen Feind“). Und auch das Entführungsopfer Dawson (Jason Isaacs) versucht, Elisha auf seine Seite zu ziehen.
Grundthema Widerstand
Abgesehen von ein paar Rückblenden spielt sich „Dawn“ fast ausschliesslich in düsteren Innenräumen ab, was die beklemmende Wirkung des „Huis Clos“ noch verstärkt. Die theaterähnlichen Kulisse ist in matte Braun- und Blautöne getaucht. Dazu passt die zurückhaltend eingesetzte Musik aus der Soundküche von Bernard Trontin (Young Gods).
Der Stoff beschäftigte Regisseur Romed Wyder bereits seit längerer Zeit. Nach seinem letzten Film „Absolut“ (2004), der im Milieu der Antiglobalisierungsbewegung angesiedelt ist, wollte Wyder das Thema Widerstand weiterentwickeln. Dabei sei er auf den Roman von Elie Wiesel gestossen, schreibt der in Genf lebende Walliser Filmemacher zur Entstehung des Projekts.
Zudem habe ihn der israelisch-palästinensische Konflikt interessiert. Viele historische Fakten seien wenig bekannt, insbesondere „die speziell schmerzhaften, aber wichtigen“ aus den Jahren 1947 und 1948. Er sei überzeugt, schreibt Wyder, „dass wir Europäer nicht nur eine schwere Verantwortung für das Schicksal der Juden in Europa tragen, sondern auch für dasjenige der Palästinenser, die heute für die Freiheit des arabischen Palästinas kämpfen“.
Universelles Lehrstück
So schliesst Wyder das Kammerspiel „Dawn“ mit einem Schnelldurchlauf von dokumentarischen Filmausschnitten, welche im Zeitraffer die Geschichte der letzten sechs Jahrzehnte nachzeichnen: Von der Staatsgründung Israels über den Sechstagekrieg, die Intifada bis hin zum Bau der völkerrechtswidrigen Mauer zum Westjordanland.
Dieser Nachspann wirkt jedoch wie eine aufgesetzte Schlussbelehrung. Als hätte der Regisseur der Aussagekraft seines Kammerspiels misstraut. Das ist unnötig, denn der von Dschoint Ventschr koproduzierte Film entwickelt auch so die Kraft eines universellen Lehrstücks. Etwa zur Frage, die sich alle bewaffneten Widerstandsbewegungen dieser Welt stellen müssen: Heiligt der Zweck jedes Mittel?