Ähnlich wie heute der israelisch-palästinensische Konflikt: der einstige Kampf der Juden gegen die Briten.
von Mario Cortesi
Elie Wiesel, Überlebender im KZ Buchenwald und Friedensnobelpreisträger, schrieb «L’aube» (Morgendämmerung) 1960, aber die 1947 spielende Geschichte hat nichts von ihrer ursprünglichen Kraft eingebüsst. Elie Wiesel schildert die Monate vor der Gründung des Staates Israel, als Palästina jahrelang unter britischem Mandat stand und viele aus Europa geflüchtete Juden im bewaffneten Untergrund für die Errichtung eines zionistischen Staates kämpften. Die englischen Besatzer gingen dabei so weit, dass sie den Überlebenden der Konzentrationslager die Einreise nach Palästina verboten und damit den Hass des Untergrundes zusätzlich schürten.
Im Keller gefangen. Alles geschieht in einer einzigen Nacht. Die Engländer haben ein Mitglied des jüdischen Untergrundes zum Tode verurteilt. Im Gegenzug kidnappen die Untergrundkämpfer einen britischen Offizier und wollen ihn bis zum Morgengrauen austauschen – oder auch hinrichten. In einem alten arabischen Schulgebäude wartet ein kleines Grüpplein Freiheitskämpfer auf den Ausgang der Verhandlungen, im Keller den gefangenen, zu exekutierenden Engländer.
Mission. Als kluges, ausgewogenes Kammerspiel bringt der Schweizer Filmemacher Romed Wyder – er stammt aus Brig – die Novelle auf die Leinwand. Da stehen vier erprobte Widerstandskämpfer dem jungen Freshman Elisha (Joel Basman) gegenüber, der – zum Bestehen seiner ersten Mission – den Engländer beim Scheitern der Verhandlungen erschiessen muss. Doch Elisha ist unsicher, ein Zweifler: Als Befreiter aus einem KZ hat er die Grausamkeiten der Nazis erlebt und soll nun selber als Henker über Leben und Tod eines Menschen richten, der nicht unbedingt sein persönlicher Feind ist. Geschickt verwebt Romed Wyder Ansichten, Erlebnisse, Träume und Ängste der vier überzeugten Widerstandskämpfer mit der Einstellung, dem Dilemma und dem Gewissen des heimatlosen Jungen (er hat seine Eltern im KZ verloren). Für Elisha befindet sich im Keller nicht eine Geisel, sondern ein Mensch. Aber da sind die vier Freiheitskämpfer, denen es langsam gelingt, mit dem Erzählen von grausamen Geschichten, mit Rhetorik, Manipulation und der Kraft der Motivation den Widerstand und das Gerechtigkeitsgefühl des Jungen zu brechen.
Wyders psychologisches Kammerspiel (mit hebräischen Dialogen) lebt in erster Linie von einer Hand voll ausgezeichneter Schauspieler, allen voran Joel Basman, der mit seiner zurückhaltenden Darstellung auch hier wieder beweist, dass er zu den schauspielerischen Hoffnungen des Schweizer Filmes zählt. Es lebt aber ebenso von der subtil ausgeloteten Konfliktsituation und zeigt, dass es schon damals schwer war, zwischen Opfern und Tätern zu unterscheiden, dass Gewalt und Terror damals wie heute die Situation im Nahen Osten beherrschen.